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Du kannst WIR

Du kannst WIR

Text: Sabine Schaller-John; Bild: christianweber.design

Menschen mit Behinderung zu beschäftigen, ist eine Bereicherung. Die Inklusionskampagne „Du kannst WIR“ und das Angebot „IN ARBEIT“ der Hochfränkischen Werkstätten wollen Unternehmen in Stadt und Landkreis Hof Berührungsängste nehmen und mit praktischer Unterstützung viele inklusive Arbeitsplätze schaffen. Eine wichtige Schnittstelle: Matthias Gemeinhardt.

„In Stadt und Landkreis Hof steckt das Angebot der sogenannten ausgelagerten Arbeitsplätze noch in den Kinderschuhen“, sagt Gemeinhardt und meint damit die Zahl von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung in Unternehmen oder Dienstleistungsbetrieben. Sie ist in den vergangenen drei Jahren in Stadt und Landkreis Hof zwar von zwölf auf 40 gestiegen, hinkt im Vergleich zu Regionen wie Bamberg oder Bayreuth aber noch deutlich hinterher. Dort haben laut Gemeinhardt schon viel mehr Menschen mit Behinderung einen inklusiven Arbeitsplatz.

„Gemeinsam mit Betrieben und Unternehmen aus der Region schaffen wir Perspektiven für Menschen mit Handicap.“

Matthias Gemeinhardt, Inklusionsberater und Job-Coach bei den Hochfränkischen Werkstätten.

Warum also sollte nicht auch im Hofer Land mehr möglich sein, fragte er sich und begann schon während seiner Tätigkeit als Gruppenleiter bei den Hochfränkischen Werkstätten, Unternehmen für die Einrichtung solcher Arbeitsplätze zu begeistern, zusammen mit seinem Kollegen Claus Fiedler. Daraus entstand der Bereich „IN ARBEIT – selbstverständlich miteinander“ der Hochfränkischen Werkstätten. „Das Ganze ist im Prinzip ganz einfach“, erklärt Gemeinhardt: „Wir entwickeln gemeinsam mit interessierten Unternehmen einen passgenauen Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung, von dem alle Beteiligten profitieren.“ Für die Unternehmen hat das aus seiner Sicht viele Vorteile: „Die Unternehmen bekommen hochmotivierte Kolleginnen und Kollegen, die die Fachkräfte entlasten und oft auch das Arbeitsklima positiv beeinflussen.“ Außerdem birgt ein inklusiver Arbeitsplatz so gut wie kein Risiko für den Betrieb, was Kosten oder Beschäftigung anbelangt. „Wer einen inklusiven Arbeitsplatz hat, besetzt eine ausgelagerte Stelle, bleibt Mitarbeiter der Hochfränkischen Werkstätten und ist weiter über uns versichert“, erläutert Gemeinhardt. Die Unternehmen zahlen zwar eine Aufwandsentschädigung an die Hochfränkischen Werkstätten, können diese aber teilweise auf die sogenannte Ausgleichsabgabe anrechnen. Diese Ausgleichsabgabe muss von Unternehmen ab einer gewissen Größe gezahlt werden, falls sie keine Menschen mit Handicap beschäftigen.

Sollte es wirklich gar nicht funktionieren, kehren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder in die Werkstätten zurück. „Das habe ich aber so gut wie noch nie erlebt“, sagt Gemeinhardt. Auch deshalb nicht, weil der ganze Prozess intensiv von den Hochfränkischen Werkstätten begleitet wird. Einem ausgelagerten Arbeitsplatz geht ein für die Unternehmen kostenfreies Praktikum voran, das ganz unterschiedlich lange dauern kann. „Da gibt es kein zeitliches Limit. Wenn nur zwei Wochen benötigt werden, ist das super. Wenn es sechs Monate in Anspruch nimmt, ist es genauso okay“, sagt Gemeinhardt. Die Unternehmen bleiben auch dann nicht ohne Begleitung, wenn ein inklusiver Arbeitsplatz entstanden ist. „Wir sind bei Bedarf auf jeden Fall weiter für die Unternehmen da“, so Gemeinhardt. Mit „Wir“ meint er das ganze Team von „IN ARBEIT“, das mittlerweile zum Trio geworden ist und aus ihm, Claus Fiedler und Anna-Lena Knarr besteht. Die Unternehmen sind aufgefordert, einen sogenannten Betriebsmentor zu benennen, damit die Kollegin oder der Kollege mit Behinderung eine feste Bezugsperson im Betrieb hat.

Ein in sich stimmiges und attraktives Konzept, findet Gemeinhardt und nicht nur er. Dennoch ist noch viel Überzeugungsarbeit gefragt, und da kommt die Inklusionskampagne „Du kannst WIR“ ins Spiel, die sein Anliegen in eine breitere Öffentlichkeit tragen soll. Die Kampagne mit Imagefilm, Social- Media-Auftritt, Website und Informationsbroschüre ist die Abschlussarbeit von Matthias Gemeinhardt im Rahmen seiner Weiterbildung zum Inklusionsberater und Job-Coach. Rührig wie er ist, hat er nicht nur den Titel „Du kannst WIR“ mit seinem Team erfunden, sondern auch die „Aktion Mensch“ davon begeistern können, die den Imagefilm zur Kampagne förderte. Mit dem Bundestagsabgeordneten und Vorstandsvorsitzenden der Wirtschaftsregion Hochfranken e.V. Dr. Hans-Peter Friedrich hat er einen politisch einflussreichen Schirmherrn gefunden und sich auch auf kommunaler Ebene mit Dr. Oliver Bär, Landrat des Landkreises Hof, Eva Döhla, Hofs Oberbürgermeisterin, Matthias Döhla, Bürgermeister der Gemeinde Konradsreuth und Michael Abraham, Bürgermeister der Stadt Rehau, wichtige Unterstützer gesichert. Auch die evangelische und die katholische Kirche sind mit im Boot, ebenso wie die Lebenshilfe Hof als Träger der Hochfränkischen Werkstätten.

Viele von ihnen kommen im besagten Film zu Wort. Die Hauptrolle aber spielen Menschen mit Behinderung, denen die Freude über ihre Arbeit anzusehen ist und die in ihrer Tätigkeit regelrecht aufblühen. Sie sind die beste Werbung für sich, ihre Fähigkeiten, ihre Wünsche und ihre Träume. Inklusion bedeutet für sie nicht nur eine berufliche Perspektive, sondern fördert Potenziale zu Tage, die auch ihr privates Umfeld in Staunen versetzen können. „Wir erleben, dass Familienmitglieder völlig baff sind, was ihr Sohn, ihre Tochter, ihr Bruder oder ihre Schwester alles zu leisten imstande sind und mit welcher Hingabe sie das machen“, erzählt Gemeinhardt.

Gerade diese Freude und Hingabe sind es auch, die manchem Kollegen, mancher Kollegin ohne Handicap schon mal den Spiegel vorhalten. „Für unsere inklusiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das Wochenende oft eher zu lang als zu kurz. Sie sind glücklich, wenn sie am Montag wieder zur Arbeit gehen können.“ Die Einsatzfelder sind vielfältig, die Größe des Betriebs unerheblich. Industrie, Handwerk, Pflege, Gastronomie, Dienstleistungen – alles ist denkbar; in Stadt und Landkreis Hof sind Unternehmen aller Branchen vorhanden. „Du kannst Inklusion“ – diesen Appell richten alle politischen und kirchlichen Unterstützer im Film an die Unternehmen. Gemeinhardts Wunsch ist, dass die Betriebe noch offener werden, noch mehr von sich aus inklusive Arbeitsplätze in Erwägung ziehen. Oder wie es Andreas Gierth, der beim Unternehmen HöllenSprudel einen inklusiven Arbeitsplatz hat, im Film treffend formuliert: „Jetzt bist du mal die anderen.“

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