Text von Dagmar Müller
SOZIAL, FAIR, ÖKOLOGISCH, THISCH, REGIONAL PRODUZIERT, RESSOURCENSCHONEND, LANGLEBIG, ABER EBEN AUCH ÖKONOMISCH , ÜBERLEBENSFÄHIG – DAS ALLES DRÜCKT DER BEGRIFF „NACHHALTIG“ AUS.
„Nachhaltigkeit“ ist zum Modewort avanciert, das im Marketing gut klingt. Gerne geben Unternehmen sich selbst und ihren Produkten einen sozialen oder ökologischen Anstrich, um in der Gunst der Kunden zu steigen. KARRIEREZIEL hat vier Unternehmerinnen und Unternehmer aus Hochfranken getroffen, denen es ernst ist mit der Nachhaltigkeit – ihres Lebensstils, ihrer Produkte und ihres unternehmerischen Handelns.
TEXTILER GEGENENTWURF
Umweltbewusst und nachhaltig zu leben: Für viele von uns ist das ein wichtiges Anliegen. Eine junge Unternehmerin aus Hochfranken hinterfragt das herkömmliche Wirtschaftssystem und möchte im eigenen Betrieb neue Wege gehen. Die 30-jährige Lisa Breckner, Inhaberin der Firma hofmann druck, design + neue medien e.K. in Schwarzenbach an der Saale, sagt: „Mit Sorge beobachte ich ein Wirtschaftssystem, das nach Wachstum, Gewinn und nicht zuletzt auch nach Macht strebt. Aber zu welchem Preis? Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt erscheinen nebensächlich. Wir gehen mit unseren Ressourcen um, als wären sie unendlich verfügbar, und schaffen ein lineares Wirtschaftssystem mit unendlichem Wachstum in einer ‚endlichen‘ Welt. Was soll das?“
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Das Unternehmen wurde 1989 von Lisa Breckners Mutter gegründet. Zunächst als klassische Lohndruckerei gestartet, wurden Produktportfolio und Nähkapazitäten stets erweitert, sodass heute eine vollstufige Produktion angeboten wird. Unter der Marke shirteria werden Basic-Bekleidung, Printshirts, Corporate Fashion und textile Werbeartikel angeboten. Dem Standort Schwarzenbach an der Saale blieb das Unternehmen immer treu, so Lisa Breckner: „Hier alles an einem Ort produzieren zu können, bedeutet für uns kurze Wege und schnelle Reaktionsmöglichkeiten. Durch den Online-Handel können wir überallhin verkaufen. Was wir hier aber lieben und schätzen, ist das Netzwerk der Textiler.“
„WIR BRAUCHEN MEHR BEGEISTERUNG UND FREUDE FÜR NACHHALTIGKEIT. SIE SOLLTE NICHT DIE AUSNAHME SEIN, SONDERN DIE REGEL.“
Mit 14 ging sie weg, ans Skigymnasium nach Österreich, studierte anschließend in Innsbruck, bevor sie in die Heimat zurückkehrte. Die von ihr entworfenen „Fichtel – shirts“ der shirteria sind eine Hommage an das Fichtelgebirge, das die begeisterte Outdoor-Sportlerin sehr liebt. Im Jahr 2009 wurde die anna blume textilmanufaktur, die Wohnaccessoires, Taschen und Beutel produziert, gegründet und in das Unternehmen integriert. Mit der Marke setzt Lisa Breckner eine nachhaltige Unternehmens-philosophie um, verfolgt ganz ihre eigenen Ziele und Visionen. „Ich möchte mit langlebigen, hochwertigen Produkten eben nicht das Hamsterrad unserer konsumgetriebenen Linearwirtschaft zusätzlich befeuern,“ erklärt sie. „Spätestens Corona zeigt uns: unser Konsum ist nicht normal. Eine Wirtschaft, die zusammenbricht, weil jeder mal ein paar Wochen nur das kauft, was er wirklich braucht, ist alles, aber nicht normal.“
Besonders nachhaltig sind im Hause hofmann druck, design + neue medien e.K. neben den Produkten der anna blume textilmanufaktur auch die Bio-Basics der Marke shirteria: Für sie wird größtenteils GOTS-zertifizierte Ware genutzt. Die Produkte von anna blume werden vor Ort in Schwarzenbach produziert, also gedruckt und genäht, und dabei stets optimiert, zum Beispiel mit Oberstoff aus Bio-Baum-wolle und Füllwatte aus über 80 Prozent Recyclingfaser.
„Unsere Patchworkdecke aus farblich individuell kombinierbaren Quadraten ist bewusst so konzipiert, dass bei der Produktion keinerlei Ausschuss oder Verschnitt anfällt. Das zeitlose Design bleibt über Jahre in der Kollektion bestehen, sodass es lange möglich ist, passende weitere Wohnaccessoires fertigen zu lassen. Und ein Reparatur-Konzept verlängert die Nutzungsdauer der Decke“, sagt Lisa Brecker – so setzt sie ihre Idee von Nachhaltigkeit in ihren Produkten konkret um. „Außerdem beziehen wir 1B-Ware und fehlerhafte Stoffe von regionalen Webereien und fertigen daraus Beutel und Taschen, sowohl als Einzelstück als auch als nachhaltiges Werbemittel für Firmenkunden.“
„BEI ANNA BLUME DENKEN WIR AUCH DARÜBER NACH, WAS MIT DEM PRODUKT PASSIERT, WENN ES DER KUNDE NICHT MEHR MÖCHTE.““
Der Wunsch der Schwarzenbacherin ist es, das Unternehmen weiter in Richtung nachhaltiger Konsum zu entwickeln. Das Thema Kreislaufwirtschaft interessiert Lisa Breckner besonders. „Bei anna blume denken wir auch darüber nach, was mit dem Produkt passiert, wenn es der Kunde nicht mehr möchte. Gerade arbeiten wir an einem Reparatur- und Rückgabe-Konzept. Wir werden hier den Fokus verstärkt auf Produkte legen, die durch dauerhafte Nutzung, Up-cycling und Recycling im Kreislauf gehalten werden können.“
Hat Lisa Breckner den Eindruck, dass der Nachhaltigkeitsgedanke bereits im Alltag der Menschen angekommen ist? „Ich fürchte, man entscheidet sich noch zu oft aufgrund des schlechten Gewissens für die nachhaltige Alternative. Wir brauchen mehr Begeisterung und Freude für Nachhaltigkeit. Sie sollte nicht die Ausnahme sein, sondern die Regel. Nachhaltigkeit ist ja was Gutes, was Normales. Aber es werden auf jeden Fall mehr, die die Entstehung und Herstellung eines Produkts hinterfragen und wertschätzen.“
LANGLEBIGES LEDER
AND SONS – KALOS LEderwaren Kuno Preßel GmbH & Co. KG, Rehau
Für Manuel Hofmann, der das junge Label AND SONS in Rehau gegründet hat, bedeutet Nachhaltigkeit vor allem, langlebige Produkte aus hochwertigen Materialien herzustellen. Die Lederwaren, die er designt, sind keine Wegwerfartikel. Sie folgen nicht kurzlebigen Modetrends, sondern begleiten ihren Besitzer ein Leben lang.
Manuel Hofmann ist in der Lederwarenmanufaktur seiner Familie aufgewachsen, die der Ururgroßvater unter dem Firmennamen KALOS gegründet hat. Dennoch schien der Weg zum Lederwaren-Designer für Manuel nicht vorbestimmt. Seine Eltern ließen ihm bewusst freie Wahl. Und tatsächlich wollte Manuel, der sich immer sehr in der Jugendarbeit engagierte, lieber „etwas Soziales studieren“. Doch ein Snowboard-Unfall hielt ihn vom Studium ab, er stieg erst einmal in den Betrieb ein und „blieb dort hängen“, wie er es formuliert. „Anfangs wirklich noch ohne große Lust“, gesteht der heute 37-Jährige. „Doch mit der Zeit habe ich gemerkt, wie ich hier meine Ideen, meine Kreativität und auch meine Vorstellung von nachhaltigem Konsum verwirklichen kann. Heute möchte ich nichts Anderes machen.“ Die Ledermanufaktur KALOS fertigt vor allem hochwertige Bucheinbände, Mappen und individuelle Lederwaren nach Kundenwünschen.
„OHNE DASS MAN ES SO NANNTE, WURDE FRÜHER SCHON ‚NACHHALTIG‘ GEARBEITET.“
Nebenbei findet der kreative Kopf in Hoch-franken die Freiheit, sich auch mit Musik- und Kulturprojekten auszuleben: „Die Region ermöglicht das, weil hier alles unkompliziert und nicht so teuer ist wie in den Metropolen. Hier kannst du ohne Druck einfach mal was ausprobieren.“ Manuel Hofmann nimmt sich die Freiheit, quasi Teilzeit-Unternehmer zu sein. In der übrigen Zeit treibt er Projekte mit voran, die das Leben in Hochfranken auch für andere schön und inspirierend machen – wie das kreative Urban-Art-Projekt „Hoftexplosion“ oder die Kultur- und Veranstaltungslocation „Alte Filzfabrik“ in Hof.
Eine hochwertige, ressourcenschonende, handwerkliche Arbeitsweise wurde dem heutigen Lederdesigner von klein auf vorgelebt: „Ohne, dass man das früher so nannte, waren unsere Produkte schon immer ‚nachhaltig‘: Sie wurden robust und langlebig produziert. Und im unwahrscheinlichen Fall, dass doch einmal etwas kaputtgeht, wird es für den Kunden repariert.“ Das sei auch heute noch so. „Unser Unternehmen ist nicht auf Wachstum um jeden Preis ausgerichtet, es zählen Werte wie Beständigkeit und Qualität“, beschreibt Manuel die Unternehmensphilosophie.
„UNSER UNTERNEHMEN IST NICHT AUF WACHSTUM UM JEDEN PREIS AUSGERICHTET, ES ZÄHLEN WERTE WIE BESTÄNDIGKEIT UND QUALITÄT.“
Schon seit rund zehn Jahren entwickelt und fertigt KALOS auch Lifestyleprodukte. 2018 gründet Manuel dafür sein eigenes Label AND SONS und entwirft praktische, robuste Design-Produkte so, wie er sie selbst gerne hätte. Und er beschäftigt sich immer intensiver mit Nachhaltigkeit. Dazu gehört für ihn auch die unbedenkliche, hohe Qualität der verwendeten Rohstoffe, wie sie aus seiner Sicht am besten in Deutschland und im europäischen Wirtschaftsraum gewährleistet ist. Einer der Lieferanten, Südleder, sitzt sogar in Rehau. „Wir beziehen kein Leder aus Südamerika oder Indien, wo sehr viel für den Weltmarkt produziert wird und oft schreckliche Zustände bis hin zu Kinderarbeit herrschen.“
Leder ist hinsichtlich Fairness, Ökologie und Tierwohl kein unumstrittenes Produkt. Dessen ist sich Manuel Hofmann bewusst. „Wir verwenden ausschließlich Rindsleder, das bei der Fleischproduktion als Abfallprodukt anfällt. Allein unseretwegen muss also kein Tier sterben“, erklärt er. „Was Leder als Material teuer macht, ist der Gerb- und Veredelungsprozess.“ Das Gerben sei immer ein massives Verfahren, egal ob es mit chemischen oder pflanzlichen Mitteln durchgeführt werde. Schließlich muss dabei aus der verderblichen Tierhaut ein haltbares Material werden. Deshalb achtet die Familie Hofmann darauf, dass ihr Leder aus der EU kommt, wo Kontrollen, Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze die Unbedenklichkeit garantieren. Zudem setzt Manuel Hofmann verstärkt auf vegetabiles, also mit pflanzlichen Stoffen gegerbtes Leder, das allerdings deutlich teurer ist. Und inzwischen nutzen die Rehauer auch eine vegane Alternative: Appleskin. Das robuste, leichte Material wird in Italien aus dem Abfall der Südtiroler Apfelsaftproduktion hergestellt. Bei KALOS und AND SONS könnte es bald das klassische Erdölprodukt Kunstleder als Lederersatz ablösen. Schon jetzt fertigt Manuel Hofmann zum Beispiel schicke Taschen daraus.
NACHHALTIGKEIT MIT SOZIALEM ANSPRUCH
MAXX FACTORY – MAXX Factory GmbH, Hof
In Hof ist ein Unternehmen zu Hause, das den Nachhaltigkeitsgedanken in eine Branche getragen hat, in der traditionell Weg-werfprodukte dominieren: die Werbe- und Geschenkartikelindustrie. MAXX Factory beschritt mit seinen ökologischen Produktlinien, etwa aus Papier und Filz, ganz neue Wege – und wurde für seinen Mut belohnt.
Was veranlasste Gründerin Dagmar Kornhaas 2008 dazu, in ihrem eigenen Unternehmen entgegen aller Branchenkonventionen voll auf Nachhaltigkeit und Ökologie zu setzen? „Sozial verträglich und gerecht zu arbeiten, war mir ein großes inneres Bedürfnis“, betont die heute 56-Jährige. Sie war früher in der konventionellen Werbemittelindustrie tätig. Doch dass diese Branche so viel auf billigste Art und am Ende doch nur für die Mülltonne produziert, dabei Ressourcen und Mitarbeiter ausbeutet, widerstrebte Dagmar Kornhaas zutiefst. Das musste doch auch anders gehen. Nach Jahren im Raum Nürnberg gründete die gelernte Industriekauffrau in ihrer Heimatstadt Hof die MAXX Factory GmbH. Sie produziert ausschließlich hier und ausschließlich nachhaltige Produkte.
„DAS UNTERNEHMEN IST MEINE HERZENSSACHE. HIER KANN ICH MICH VOLL ENTFALTEN – – ALS NEUGIERIGER, MUTIGER, KOMMUNIKATIVER UND KREATIVER MENSCH.“
Von Anfang an ist das Unternehmen in der Branche ein Vorreiter und sichert sich so seine Marktposition. „Inzwischen sind viele auf den Nachhaltigkeitstrend aufgesprungen, doch nicht alles ist echt“, sagt Dagmar Kornhaas. „Nachhaltigkeit muss man leben und nicht nur fürs Marketing einsetzen.“ Die Produkte von MAXX Factory sind als ökologisch und lebensmittelecht zertifiziert. Dagmar Kornhaas beobachtet bereits seit ein paar Jahren, dass die Wertschätzung für nachhaltige und regionale Produkte steigt. Die Corona-Zeit habe diesen Trend noch verstärkt, sagt sie. Nachhaltigkeit und „Made in Germany“ stehen hoch im Kurs. „Nach solchen Produkten suchen die Kunden in der Corona-Krise regelrecht.“ So wurde 2020 – nach einem ersten Schreckmoment zu Beginn der Pandemie – am Ende das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte. Dies ist sicher auch dem Umstand zu verdanken, dass MAXX Factory heute nicht nur die Werbemittel der Produktlinie promotionMAXX produziert, sondern mit seinen Marken filz-MAXX und papyrMAXX auch hochwertige Designartikel und Wohnaccessoires für den Handel, etwa für große Online-Shops: Tischsets, Brotkörbchen, Serviettenringe aus Naturwollfilz, edle Schlüsselanhänger, Sleeves und Etuis für Smartphones, Büro-Accessoires, Taschen und Rucksäcke aus papyr, einer Zellulose-Latex-Verbindung. Im Lock-down sparten die Menschen das Geld, das sie sonst für schicke Kleidung, Vergnügen und Reisen ausgeben, und investierten in ein schönes Zuhause. Sich daheim wohlzufühlen wurde besonders wichtig – und das geht am besten mit ethisch, ökologisch und regional erzeugten Accessoires.
Auch innerhalb ihres Unternehmens legt Dagmar Kornhaas großen Wert auf eine gute Atmosphäre: Ein positives Betriebsklima, gegenseitige Wertschätzung und die faire Bezahlung ihrer 30 Mitarbeiter innen und Mitarbeiter stehen immer im Vordergrund. Sie freut sich, dass es ihr die Belegschaft mit einem großen Zusammengehörigkeitsgefühl und kaum Fluktuation dankt. Auch wenn die MAXX Factory GmbH für ihr im regionalen Vergleich gehobenes Lohnniveau bekannt ist, betont die Unternehmerin, dass der Standort Hochfranken ihr nichtsdestotrotz Vorteile verschafft: „Die Immobilienpreise, Lebenshaltungskosten und auch das Lohnniveau sind hier dennoch nicht so hoch wie in den Metropolen. Von Hamburg oder München aus könnte ich nicht so am Markt teilnehmen, wie ich es von Hof aus tue.“
Könnte sich Dagmar Kornhaas vorstellen, beruflich etwas Anderes zu machen? „Nein! Ich bin Vollblutunternehmerin, zu 150 Prozent. Das Unternehmen ist meine Herzenssache. Hier kann ich mich voll entfalten – als neugieriger, mutiger, kommunikativer und kreativer Mensch.“ Dagmar Kornhaas steht hinter dem, was sie tut.
UMWELTFREUNDLICH UND VEGAN
Eines der umtriebigsten hochfränkischen Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit sitzt in Helmbrechts. Hier entwickelt und vertreibt bleed umweltfreundliche, vegane Kleidung. Fragt man Gründer und Inhaber Michael Spitzbarth, wie er sich sein besonderes Interesse an Nachhaltigkeit erklärt, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Wenn man hier aufwächst, dann hat man die Natur immer vor Augen. Man sieht und weiß, was geschützt werden sollte.“ Schon von klein auf habe er viel Zeit in der Natur verbracht, erzählt der Helmbrechtser – sei es im Frankenwald oder im Fichtelgebirge. Als begeisterter Outdoor-Sportler und studierter Textildesigner beschäftigte er sich später intensiv mit Outdoor-Bekleidung: „Ich habe mich immer gewundert, war-um ausgerechnet diese Branche Produkte macht, die den Planeten ruinieren.“ Das wollte er ändern. Und so entstand seine Geschäftsidee.
Das ist zwölf Jahre her. 2008 hatte der Diplom-Designer, der in Münchberg Textildesign studiert hatte, die Idee und schrieb ein Konzept, das er auf der ISPO, der welt-größten Sportmesse, in München einreichte. Prompt gewann er einen Award. Doch er war der Zeit voraus. „Damals hat noch kein Hahn nach nachhaltiger, veganer Kleidung gekräht. Die ersten fünf Jahre waren extrem hart“, erinnert sich der Textil-Pionier. Das hat sich geändert. „Heute wird es mehr und mehr zum Mainstream-Thema, was ich nie gedacht hätte.“ Michael Spitzbarth sieht die Corona-Pandemie als Beschleuniger dieser Entwicklung. „Dass die Leute mal Zeit zum Nachdenken bekommen haben, ist ja nicht schlecht.“ Aus seiner Sicht machen sich die Menschen mehr Gedanken über ihren Lebensstil, ihr Konsumverhalten und ihre Ernährung: „Das merken wir auch deutlich als Marke.“
ICH HABE MICH IMMER
GEWUNDERT, WARUM AUSGERECHNET
DIE OUTDOOR-BRANCHE
PRODUKTE MACHT,
DIE DEN PLANETEN RUINIEREN.
„Wir bringen die Jeans zurück nach Franken!“, freut sich Michael Spitzbarth von bleed über seine erste in Franken produzierte Jeans. Eine Anspielung auf den Jeans-Erfinder Levi Strauss, aus Buttenheim stammte und dessen Erfindung heute fast nur noch in Fernost produziert wird.
Seit der ersten, kleinen Kollektion mit rund 20 Teilen im Jahr 2009 hat sich einiges getan. Heute kann bleed seine Kunden komplett ausstatten: „Von Kopf bis Fuß, von Socken und Schuhen über Jeans bis zur Jacke und Mütze.“ Auch an nachhaltigen Materialien ist viel mehr Auswahl hinzugekommen, sei es Eukalyptuszellulose, Fasern aus recyceltem Plastik aus dem Mittelmeer oder Kork als Lederersatz. Oft war Michael Spitzbarth Pionier beim innovativen Einsatz dieser Rohstoffe. Auch im Designprozess geht er neue Wege: „Wenn wir ein neues Produkt entwickeln, machen wir nicht als Erstes das Design. Sondern wir fragen uns: Wie ist es am besten für den Planeten? Welches Material ist zum Beispiel aufgrund der CO2-Bilanz oder des Wasserverbrauchs am umweltfreundlichsten? Und danach designen wir dann erst. Quasi ein umgekehrter Designprozess.“
Ein großes Anliegen ist dem Unternehmer der Aufbau nachhaltiger Lieferketten innerhalb Deutschlands und der EU. Dass Outdoorbekleidung fast ausschließlich den weiten Weg aus Asien zu uns kommt, widerspricht Michael Spitzbarths Verständnis von Nachhaltigkeit. Doch es sei gar nicht so einfach, in Deutschland ökologisch arbeitende Textilbetriebe zu finden: „Im Food-Bereich ist das anders, aber in der Textilbranche sind wir noch nicht so weit.“ Fünf Jahre hat es zum Beispiel gedauert, bis er sein Ziel verwirklichen konnte, eine in Franken produzierte Jeans zu entwickeln, die nun erhältlich ist. Schließlich hat sich eine Weberei aus Helmbrechts biozertifizieren lassen. „Jetzt holen wir gemeinsam die Jeans zurück nach Franken!“, freut sich Spitzbarth in Anspielung auf den aus Oberfranken stammenden Jeans-Erfinder Levi Strauss.
Für Michael Spitzbarth ist Nachhaltigkeit – ein umweltverträglicher Lebensstil ohne Tierleid – sein Lebensthema. Tiefgründig durchdenkt er die Lieferketten von bleed, lässt die CO2-Bilanz seiner Produkte berechnen, hinterfragt den aktuellen Lebensstil und Entwicklungen in der Gesellschaft. Er hat das Gefühl, dass es immer mehr Menschen so geht: „Gerade durch Corona haben die Menschen Zeit zum Nachdenken bekommen, was ja mal nichts Schlechtes ist. Ich habe schon den Eindruck, dass sie mehr darüber nachdenken, wie sie eigentlich leben und konsumieren wollen. Sie schauen sich um und entdecken, welche Schätze sie vor der eigenen Haustür haben. Dass es hier bei uns wunderschön ist und man eben gar nicht um die Welt fliegen muss.“
Der Helmbrechtser hofft, dass sich das auch längerfristig positiv auf die Entwicklung des Tourismus in Hochfranken auswirkt. Weil es nachhaltiger ist, vor der eigenen Haustür Urlaub zu machen, als um die Welt zu fliegen. Michael Spitzbarth ist ein großer Lokalpatriot. Die Shootings für seine Outdoor-Kleidung macht er am liebsten im Fichtelgebirge und im Frankenwald. So wirbt er nicht nur für seine Produkte, sondern auch für die Region. Kein Wunder, dass sich die Heimat inzwischen auch auf den Produkten von bleed wiederfindet: In der „Heimat Kollektion“ von bleed wird mit hochfränkischen Motiven, dem Fichtelgebirge und Frankenwald, gespielt. Eigentlich sollte diese Kollektion im neuen Con-cept Store in Helmbrechts an eine kleine regionale Zielgruppe verkauft werden. Da der Laden wegen Corona vorübergehend schließen musste, nahm Michael Spitzbarth die Heimat-Produkte in den bleed-Online-shop auf – und nun verkaufen sie sich sogar international. Nachhaltige Heimatliebe – von Hochfranken hinaus in die Welt!