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New Work und Digitalisierung

New Work und Digitalisierung

Wie Corona unsere Arbeitswelt verändert

Text von Jacqueline Damböck

Seit Anfang 2020 beherrscht unser Leben ein kleiner Erreger: Das Coronavirus tauchte Ende 2019 zuerst in China auf. Drei Monate später stufte die Weltgesundheitsorganisation WHO COVID-19 als Pandemie ein. Es begann ein Wellenschlag rund um den Globus, dessen gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen auch Hochfranken spürt.

Die Maßnahmen gegen das Virus – Hygieneregeln wie AHA- bzw. AHA+L, 30-sekündiges Händewaschen etc. – sind mittlerweile in den Köpfen fast aller Deutscher angekommen. Während des ersten Lockdowns kam es zu Hamsterkäufen. Bilder leerer Regale prägten die mediale Berichterstattung. Desinfektionsmittel, Seife, Toilettenpapier und Hefe avancierten zu Topsellern – und die Maßnahmen der Bundesregierung zu echten Hürden für Unternehmen und Hand.

DIGITALE TRANSFORMATION

„Die Umstellung aufgrund von Corona war für Unternehmen, die öfter Umstrukturierungen vornehmen, vielleicht einfacher“, sagt Tobias Langmeyer, CEO der dc AG. Das Kulmbacher Unternehmen liefert Software-Komplettlösungen für öffentliche und geschlossene Webshops und integriert Online-Marktplätze auf den Webseiten seiner Kunden. Als Agentur begleitet dynamic commerce Unternehmen bei der Planung und Einführung von Webprojekten und unterstützt beim Online-Marketing. Da dc ohnehin in der digitalen Arbeitswelt unterwegs ist, hat sich für die Mitarbeiter nicht viel verändert: „Wir haben weitergearbeitet und uns mehr darauf konzentriert, unsere Kunden und Mitarbeiter zusammenzuhalten“, so Langmeyer.

Seine Kunden hatten zu dieser Zeit teilweise einen anderen Fokus, denn einige mussten ihren Betrieb herunterfahren oder ganz schließen; andere hatten sogar noch mehr zu tun. Auch den Sprung vom analogen Arbeitsplatz zum mobilen Heimarbeitsplatz mussten viele meistern. Langmeyer und sein Team legten während des Lockdowns im Frühjahr 2020 keine Pause ein: „Mein Terminkalender hat von den Beschränkungen nichts mitbekommen“, lacht der CEO. „Im Gegenteil, ich fand es teilweise anstrengender. Wir hatten allein im April 3.000 Video-Call-Stunden zu verzeichnen.

„61,6 Prozent der gastgewerb-lichen Unternehmer bangen um ihre Existenz. Laut einer DEHOGA-Erhebung meldeten die Betriebe von März bis August 2020 Umsatzeinbußenvon 55,8 Prozent.“

Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA Bundesverband)

KREATIVITÄT BRAUCHT MENSCHLICHE NÄHE

Digitales Arbeiten hat auch Nachteile: „Es ist schwierig, neue Ideen rein virtuell zu entwickeln“, findet Langmeyer. Das sieht Dr. Laura Krainz-Leupoldt, Geschäftsführende Gesellschafterin der PEMA Vollkorn-Spezialitäten Heinrich Leupoldt KG aus Weißenstadt, genauso: „Ich kann mir nicht vorstellen, ständig auf Distanz zu arbeiten. Menschen sind soziale Wesen und das Zusammensein mit Menschen kann man mit keiner Digitalisierung der Welt ersetzen. Gerade Kreativität braucht meistens menschliche Nähe.“ Trotzdem bieten aus ihrer Sicht Meetings, Pressekonferenzen und Bewerbungsgespräche via Zoom, Microsoft Teams und anderen Video-Call-Lösungen bestimmte Vorteile, über den Infektionsschutz hinaus. Vor allem sparen sie Zeit. „Es gibt eine klare zeitliche Einschränkung dieser digitalen Treffen“, erklärt Dr. Krainz-Leupoldt. „So werden Dinge schneller auf den Punkt gebracht und sind nicht so ermüdend.

Ärzte arbeiteten im Schnitt mehr als sechs Stunden pro Woche mehr und investierten zusätzlich rund 1.300 Euro in Schutzausrüstung, so eine Befragung von 1.900 Praxen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi).

STÄRKERES MITEINANDER IN ZEITEN VON CORONA?

Rund 60 Prozent der Unternehmen bieten mittlerweile ihren Mitarbeitern eine Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten: Homeoffice. Doch nicht alle Arbeitnehmer können ins mobile Arbeiten wechseln. Kritiker geben zu bedenken, dass sich die isolierte Heimarbeit auf das soziale Miteinander auswirke und der Gemeinschaftssinn zu bröckeln beginne. Rund ein Viertel der Menschen im Homeoffice litten unter den Herausforderungen und fast die Hälfte habe mit starken psychischen Belastungen zu kämpfen. „Gerade in Notsituationen sind wir auf die Solidarität anderer an-gewiesen“, findet Dr. Krainz-Leupoldt. Ist es daher nicht eine logische Konsequenz, dass sich ein stärkerer Zusammenhalt unter den Menschen zeigt?
Petra Dierck, Managerin des Outlet Centers Selb, hat andere Erfahrungen gemacht: „Mir wurde in dieser Zeit sehr klar, wie unterschiedlich Menschen in einer solchen Situation ticken. Es war eine Ambivalenz zwischen Rücksichtnahme und Egoismus. Ein Pendelausschlag zwischen Verständnis und Genervt sein. Ich hatte das naive Denken, dass eine solch einschneidende Gesamtlage das Miteinander und Verständnis füreinander stärken würde. Das war leider nicht immer so.“

CORONA UND DIE POLITIK

Am 27. Januar 2020 wurde der erste Corona-Fall in Deutschland nachgewiesen. Am 16. März 2020 beschließt die Bundesregierung den ersten Lockdown. Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Geschäfte, das öffentliche Leben stillgelegt. „Die Politik verpasste es an vielen Stellen, die Reglementierungen mit Bedacht zu wählen, sodass ein Plan zu erkennen gewesen wäre“, kommentiert Petra Dierck. „Das war kontraproduktiv und verspielte allerlei Vertrauen, weil die Menschen die Regeln nicht immer verstanden. Dabei war es doch extrem wichtig, den Bürgern genau dieses Gefühl zu vermitteln, dass die getroffenen Maßnahmen wohlüberlegt sind.“ So seien aus Diercks Sicht vergleichsweise schnell Verbote ausgesprochen worden, praxis-orientierte Lösungen für Gewerbe, Tourismus, Gastronomie, aber auch Schulen und Kindergärten hätten gefehlt. „Verbieten ist immer sehr einfach, zeugt aber von einer gewissen Hilflosigkeit“, so Dierck. „Hier hätte ich mir gewünscht, dass man konkrete Lösungsansätze ausarbeitet und sie den Leuten an die Hand gibt.“

„Der Fortgang unseres weite-ren Bauvorhabens am Outlet Center Selb wurde extrem be-einflusst. Ein Beispiel: Brand-schutzrelevante Bauteile mit einem Materialwert von viel-leicht fünf Euro verzögerten unsere gesamte Planung, weil die Liefertermine vom Her-steller oder Zulieferer nicht eingehalten werden konnten. Die Pandemie verschonte keine Branche.“

Petra Dierck, Managerin des Outlet Center Selb

WIE KANN ES WEITERGEHEN?

In einem Whitepaper entwickelte die Zukunftsinstitut GmbH aus Frankfurt am Main vier Szenarien, wie es nach der (über-standenen) Pandemie mittelfristig weitergehen könne: Darin findet sich unter anderem die Prognose, dass Menschen in totaler Isolation leben, bei jedem Kontakt Gesundheitsdaten ausgetauscht werden und sich die Handelsabkommen einzelner Staaten nur noch auf die Grundversorgung beschränken. Eine andere düstere Vision malt einen System-Crash, der in einem Kampf um Ressourcen endet. Das dritte Szenario beschäftigt sich mit einem Trend, der bereits vor der Coronakrise langsam erblühte: Regionalität, Nachhaltigkeit, „Neo-Tribes“: lokale Strukturen, regionale Erzeugnisse, Rückbesinnung auf Familie, Haus und Hof sowie Wir-Kultur sind wichtige Schlagworte. Das vierte Szenario sieht Menschen gestärkt aus der Krise hervor- und flexibler mit Veränderungen umgehen. In dieser Vision würde die Wirtschaft langsamer wachsen. Unternehmen bräuchten neue Geschäfts-modelle. „So stellt sich automatisch die Sinnfrage nach dem Zweck des Wirtschaftens: Immer mehr Profit? Oder vielleicht doch bessere, sozial und ökologisch vorteilhaftere Problemlösungen für Kunden und andere Stakeholder? Eines ist klar: Das gemeinsame Überstehen der Krise verhilft zu einem neuen, achtsamen Umgang miteinander“, so die Prognose Nummer 4.Für Dr. Laura Krainz-Leupoldt steht fest: „Wir müssen neue Formen der Stabilität finden.“ So ließen sich Unsicherheiten besser bewältigen. Tobias Langmeyer betont, dass Unternehmen „immer agil bleiben und nicht träge werden dürfen“ – gerade, was die digitale Transformation betrifft. Es gebe bereits Ansätze, zufällige Treffen auf digitalen Messen mit einer Art „Chat-Roulette“ zu organisieren, virtuelle Sportstunden und After-Work-Cocktails abzuhalten. Eine eigene Software („Bits & Pretzels“), macht es möglich, sich so mit anderen zu treffen. Petra Dierck stellen sich andere Fragen: „Sind die riesigen Firmenzentralen mit vielen Büroflächen gerade in den Großstädten noch zeitgemäß? Werden Masken zur Normalität in der Öffentlichkeit? Kann sich der Kulturbetrieb je wieder erholen?“ Für ihre Branche sieht sie eine mögliche Kehrtwende: Wenn die Verantwortlichen im Modehandel umdenken und beispielsweise weniger Kleidungsstücke in die Läden bringen würden, würden entsprechend weniger Überhänge produziert – „wie viele Überhänge sind dann für die Bestückung von Outlets noch vorhanden?“

Corona hat in allen Branchen und Bereichen deutlich höhere Kosten verursacht. Zum Beispiel mussten Betriebe, die Lebensmittel herstellen, wie die PEMA Vollkorn- Spezialitäten KG aus Wei-ßenstadt, ihre bereits sehr aufwendigen Hygienemaß-nahmen noch verschärfen.

POSITIVES

Trotz vieler Fragezeichen, die Krise hat auch Positives gebracht. Laut Tobias Langmeyer war sie der nötige Anstupser für die digitale Transformation der Arbeitswelt. „Viele Unternehmen haben sich jetzt schneller der digitalen Welt zugewandt mit virtuellen Meetings, mobilem Arbeiten. Wer jetzt gute Leute sucht, der muss solche Dinge ermöglichen.“
Die Gesellschaft verändert sich: „Wir lernen, neu zu denken, Neues zu wagen. Kreativität und Mut sind gefragt. All das finde ich spannend, interessant und erfrischend“, sagt Dr. Laura Krainz-Leupoldt. „Natürlich war und ist die Situation für alle eine große Herausforderung, aber sie lebt sich um einiges leichter, wenn man den Optimismus nicht verliert“, findet Petra Dierck und ist sich sicher: „Wir werden sehr gut lernen, mit Corona zu leben.“

ARBEITSLOSIGKEIT UND CORONA

Ein Einbruch auf dem Arbeitsmarkt wie in anderen Regionen Deutschlands ist in Hochfranken ausgeblieben. Stattdessen geben auch im Lehrstellenmarkt die Bewerber den Ton an: Standen vor zehn Jahren noch 2.142 Bewerber 1.742 Ausbildungsplätzen gegenüber, hat sich das Verhältnis mit 2.216 Lehrstellen für 1.368 Bewerber heute umgekehrt.

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