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Einmal London und zurück

Einmal London und zurück

Text von Sabine Schaller-John

Die Wanderjahre von Linda Muck (43) dauern gut zwanzig Jahre. Von Schwarzenbach an der Saale bricht sie mit 17 Jahren auf in die Welt. München und Berlin sind ihre ersten Ziele. Dort studiert sie Anglistik und Skandinavistik auf Magister. „Dafür habe ich mich entschieden, weil ich beides spannend fand. Was ich hinterher mit meinem Magisterabschluss würde anfangen können, war für mich erstmal zweitrangig“, erinnert sie sich. Das Leben in den beiden Großstädten gefällt ihr, neben dem Studium arbeitet sie: in München beim Studentenradio der Ludwig-Maximilians-Universität, in Berlin bei einem Startup, das Telefonservices für kleine Unternehmen anbietet, unter anderem das telefonische Sekretariat übernimmt. Dazu bedarf es auch einer Software. Linda Muck wird Teil des Kundenserviceteams. „Eigentlich habe ich in Berlin viel mehr gearbeitet als studiert“, sagt sie lachend. Sie hilft mit, die Funktionalität der Plattform und der Software so weiterzuentwickeln, dass sie den Bedürfnissen der Kunden wie auch der Mitarbeiter im Kundenservice immer besser gerecht werden. „So kam ich immer mehr in die Online-Schiene“, sagt sie. In Berlin lebt sie gut sieben Jahre, wird Mutter von zwei Kindern.

Es folgt ein kurzer Zwischenstopp in Hamburg. Mit der norddeutschen Mentalität wird Linda Muck allerdings nicht so richtig warm. „Das war nicht so mein Ding“, sagt sie rückblickend. Richtig Heimweh nach Bayern oder Hochfranken hat sie aber auch nicht. 2011 entscheidet sich die junge Familie, nach London zu gehen. „Für einen solchen Schritt war es genau der richtige Zeitpunkt, auch weil die Kinder noch sehr klein waren“, sagt Linda Muck.

„London ist eine ganz tolle Stadt“, schwärmt sie. „Egal, ob es sich um Konzerte, Ausstellungen, Restaurants oder Läden handelt.“ In vollen Zügen genießen kann sie die Möglichkeiten nicht. Das ist bei ihr nicht anders als bei anderen Menschen, die in Metropolen leben. Es fehlt die Zeit, der Alltag dominiert. Und London ist teuer. „Selbst, wenn man gute Jobs hat, lebt man relativ prekär“, sagt sie. Die schlechtere soziale Absicherung als in Deutschland kann bedeuten, dass bei Arbeitslosigkeit innerhalb weniger Monate die Ersparnisse aufgebraucht sind. Darüber muss sich die Familie allerdings keine Sorgen machen.

Linda Muck findet einen guten Job, wieder bei einem Unternehmen, das damals noch den Status eines Startups hat. Es heißt Sugru, wie das Produkt, das es vertreibt – ein neuartiges, patentiertes Silikonmaterial mit einer Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten wie Kleben, Formen, Abdichten oder Isolieren. Auch bei Sugru arbeitet Linda Muck wieder in der telefonischen Betreuung der Kunden und nutzt ihre Erfahrungen aus Berlin, um mitzuhelfen, die richtige Software für das Management von Kundendaten zu finden. Sie bildet sich ständig weiter, „hauptsächlich durch learning by doing“, sagt sie. Weitere Stationen bei Sugru sind für sie das Social Media Marketing und der Bereich E-Commerce.

Das Leben in London ist anstrengend. „Wir wohnten in Südlondon, ich arbeitete in Ostlondon.“ Das bedeutet über eine Stunde Fahrzeit zur Arbeit – einfache Strecke – in einem übervollen Zug und durch die Londoner City. „In London fahren alle gleichzeitig zur Arbeit, weil alle um neun Uhr morgens anfangen. Da ist Zugfahren keine Erholung, sondern Stress.“ Ihre Kinder weiß sie gut betreut. „Wir hatten eine Nanny. Sie war Spanierin und eine tolle Bezugsperson für die Kinder“, erzählt Muck. „Überhaupt lebten wir in einer superliberalen Blase von EU-Ausländern.“ Es ist ihr anzuhören, dass sie sich darin sehr wohlfühlte.

Sie alle aber kommen mit der Brexit-Diskussion ins Grübeln, nehmen mit der Entscheidung für den Brexit eine Veränderung der Stimmung wahr. Die drohende Einschränkung der Freizügigkeit und der künftige, noch nicht geklärte Status von EU-Ausländern führt dazu, dass „der Bezug zum Land zunehmend gestört wurde“, erläutert Muck. Auch sie überlegt Ende 2017, ob sie London verlassen soll. Bei Sugru ist sie mittlerweile zum Head of E-Commerce aufgestiegen. „Neben der Brexit-Diskussion wollte ich das Leben entstressen und nicht mehr verpflichtet sein, nur für den Lebensunterhalt wahnsinnig viel Geld verdienen zu müssen.“ An Silvester 2017, es ist das Silvester vor ihrem 40. Geburtstag, fällt die Entscheidung, nach Schwarzenbach an der Saale zurückzukehren

„SICHER IST DAS LEBEN IN EINER KLEINSTADT ETWAS GANZ ANDERES. ABER ICH WUSSTE JA, WORAUF ICH MICH EINLASSE. UND ICH WOLLTE AUCH WIEDER ZURÜCK ZUR FAMILIE.“

Die Verbindung zu ihrer Familie, die immer noch in Schwarzenbach wohnt, hat sie ohnehin nie verloren. „Die Kinder fühlten sich hier immer wohl, auch wenn wir nur einmal im Jahr hier waren.“ So übersiedelt die Familie im Sommer 2018 nach Schwarzenbach. „Leider haben wir das Wiesenfest damals knapp verpasst“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Ihr Domizil schlägt sie ganz in der Nähe ihres Elternhauses auf. „Sicher ist das Leben in einer Kleinstadt etwas ganz anderes. Aber ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Und ich wollte auch wieder zurück zur Familie.“

Das Hochfranken, das sie in den neunziger Jahren verlassen hat, gibt es heute so nicht mehr. „Damals war alles auf dem absteigenden Ast. Die Porzellanfabriken schlossen, immer mehr Läden machten zu.“ 2018 kommt sie zurück in eine Region, in der sie wahrnimmt, dass der Mittelstand wieder aufblüht und die Digitalisierung vorangetrieben wird. „Es tut sich wirklich was hier. Es gibt so viele Leute, die sich engagieren. Das ist toll.“

Selbstverständlich schätzt sie auch die niedrigeren Lebenshaltungskosten, die kurzen Wege und die größeren Freiräume für ihre Kinder. „Sie können alleine rausgehen, mit dem Fahrrad in 15 Minuten ins Schwimmbad fahren.“ Sie selbst braucht nur noch zehn Minuten bis zur Arbeit. Seit Anfang 2019 ist sie bei der GEALAN Fenster-Systeme GmbH angestellt, nachdem sie das erste halbe Jahr in Deutschland noch für Sugru gearbeitet hat. Ein Bekannter hatte sie auf eine ausgeschriebene Stelle im Bereich Online-Marketing aufmerksam gemacht. Die bekommt sie und steigt in der Position einer Referentin in den Bereich ein. Schon ein gutes Jahr später ist sie Gruppenleiterin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei GEALAN und gemeinsam mit zwei Mitarbeitern verantwortlich für GEALAN Deutschland und einige ausländische Vertriebsgebiete.

Der beste Beweis, dass sie alles richtig gemacht haben, ist, wenn ihre Kinder zu ihr sagen: „Mama, du bist überhaupt nicht mehr so gestresst.“ Linda Mucks Wanderjahre haben ihr gezeigt, dass Hochfranken als Wohn- und Arbeitsregion ein großes Stück Lebensqualität bedeutet.

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