Text: Sabine Schaller-John, Bilder: Martin Bursch
Die Initiative „Genussregion Oberfranken“ lebt und pulsiert, hat sich zum Vorzeigeprojekt gemausert. Viele Akteure und Akteurinnen tummeln sich – Bäcker, Metzger, Brauerinnen, Gastronominnen, Produzenten, Vermarkter, Genussbotschafterinnen, Politiker aus Kommunen und Landkreisen, auch Wissenschaftlerinnen. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Imagepflege und Förderung der Qualität, Kultur und Vielfalt regionaler Spezialitäten in Oberfranken. Was so einfach klingt, erlangt viel Engagement. KARRIEREZIEL hat mit drei Akteuren gesprochen.
Der NETZWERKER
„Das Etablieren einer Genussregion ist nicht isoliert möglich. Dazu braucht es ein gut funktionierendes Netzwerk aus Produzenten, Handwerkern, Ideengebern und Multiplikatoren.“
Norbert Heimbeck, Geschäftsführer Genussregion Oberfranken e.V.
Der 24. Oktober 2007 markiert den Beginn des Vereins Genussregion Oberfranken e.V. Die Idee, Oberfranken als Genussregion zu etablieren, existierte da schon einige Jahre – ins Spiel gebracht von der Handwerkskammer für Oberfranken, die damit auch der Erosion der Betriebe im Lebensmittelhandwerk entgegenwirken wollte. Viel zentraler aber war die Motivation, ein Netzwerk zu schaffen, das Oberfrankens Schätze und „Welt- und Europameister“ viel stärker in die Öffentlichkeit rückt: Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es in Oberfranken die meisten Bäckereien und Konditoreien, die meisten Metzgereien und die meisten Brauereien der Welt. Den Europameistertitel hält die Region als größtes Süßkirschen- und Meerrettichanbaugebiet Europas. Hinzu kommen die Veredelungsbetriebe und die Gastronomie. Alle zusammen stehen für Regionalität, Qualität und Genuss sowie eine oft jahrhundertealte Tradition. Sie sind also ein wichtiger Teil der oberfränkischen Kultur und Heimat. Entsprechend lautet der Vereinszweck: Imagepflege und Förderung der Qualität, Kultur und Vielfalt regionaler Spezialitäten in Oberfranken – weit über die bloßen Aktivitäten einer regionalen Vermarktungsinitiative hinaus.
Seit April 2018 laufen die Fäden für die Aktivitäten bei Norbert Heimbeck zusammen. Schon während seiner über 30-jährigen Arbeit als Redakteur und Journalist beschäftigte er sich im Schwerpunkt mit Lebensmitteln und Kulinarik, kocht selbst leidenschaftlich gern, veranstaltet Kochabende und Verkostungen – wann immer möglich mit Produkten aus der Region.
Sein Aufgabenbereich ist vielfältig und nur schwer auf einen Nenner zu bringen. Netzwerker bringt es wohl am ehesten auf den Punkt.
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
„Eine meiner zentralen Aufgaben!“ sagt Heimbeck. Gut 30 Vorträge hat er in den zurückliegenden Jahren gehalten, besonders oft gewünscht wurde der Vortrag „Genussregion Oberfranken – mehr als ein immaterielles Kulturerbe“. „Mit dem Bayerischen Rundfunk habe ich fast schon eine Standleitung. Er fragt oft an, wenn er auf der Suche nach interessanten Betrieben in Bayern ist“, erzählt er. Und da hilft Heimbeck natürlich, wo er kann. Zudem organisiert er Seminare, in denen sich Interessierte zu Genussbotschafterinnen und Genussbotschaftern ausbilden lassen können. „Über 100 sind es bereits“, sagt er. Für die Ausbildung von kommunalen Gästeführerinnen und Gästeführern hat er das Modul „Genussregion kompakt“ entwickelt. Die Homepage des Vereins läuft unter seiner Regie und bündelt alles, was neben den Informationen zum Verein mit der Genussregion verbunden ist: „Die wichtigsten Stichworte sind hier Essen, Erleben und Einkaufen“, sagt Heimbeck. Entsprechend finden sich Spezialitäten aus Oberfranken, Genusstouren, Genussorte und Tipps für Erlebnisse, die Kultur und Kulinarisches verbinden. Ständige Medienarbeit versteht sich von selbst – wichtige digitale Plattformen wie Facebook und Instagram inbegriffen.
Veranstaltungen
„Hier können wir als Verein oft nur unterstützende Arbeit leisten, Akteure zusammenbringen, Fachwissen einbringen, Werbung über unsere Kanäle machen, die Presse informieren etc.“, erläutert Heimbeck und nennt als Beispiel den 1. Oberfränkischen Lebensmittelgipfel, der im Oktober 2021 stattfand und sich mit der Situation und der Zukunft im Lebensmittelhandwerk und der Landwirtschaft auseinandersetzte. Gewissermaßen leichtere Kost, aber mit viel Publikumswirkung, sind Wettbewerbe, die oberfränkische Interpretationen von modernen Essenstrends oder moderne Interpretationen von oberfränkischen Klassikern in den Mittelpunkt stellen, etwa die Wahl des „Oberfrankenburgers“. Wichtig ist Heimbeck aber auch die Hilfe, die der Verein bei der Entwicklung von Formaten leisten kann. „Ein Beispiel ist die Kartoffelkerwa in Helmbrechts“, die coronabedingt bislang nur ein einziges Mal im Jahr 2019 stattfinden konnte. Aktionen wie ein Genießerduell zwischen Oberfranken und einer anderen Region während der „Grünen Woche“ in Berlin sind in Planung.
Qualitätssicherung
„Das ist die Basis für unsere Glaubwürdigkeit und das Kundenvertrauen“, betont Heimbeck. Entsprechend ist das Label „Genussregion Oberfranken“ nicht nur ein Imagelabel, sondern auch ein regionales Qualitätssiegel. Wer Spezialitäten herstellt und es nutzen will, muss sich einer intensiven Qualitätsprüfung unterziehen. Der Verein hat zusammen mit der QAL GmbH, einem Unternehmen, das Audits und Zertifizierungen unter anderem in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft konzipiert und durchführt, Qualitätsstandards entwickelt. Jede Produzentin, jeder Produzent wird zertifiziert und unterzieht sich einer Regionalitätsprüfung, bevor er als Mitglied in den Verein Genussregion Oberfranken aufgenommen wird. Die Zertifizierung wird bei jedem Betrieb alle drei Jahre durchgeführt. „In der Gastronomie sehen die Qualitätsstandards beispielsweise vor, dass bei einem Leitgericht des Hauses die wichtigsten Zutaten zu 100 Prozent aus Oberfranken sind“, erklärt Norbert Heimbeck. Er baut sukzessive Kontakte zu Experten und Expertinnen und Institutionen auf. Dazu zählen die oberfränkischen Hochschulen, der neu gegründete Ernährungsrat Oberfranken, vor allem aber die in Stadt und Landkreis Kulmbach ansässigen Einrichtungen aus dem Lebensmittelbereich, die dem Netzwerk eine hervorragende fachliche Grundlage geben.
Mitgliederservice
„Hier fungiert der Verein als Dienstleister und bietet besondere Services“, sagt Heimbeck. Das beinhaltet zum Beispiel die exklusive Teilnahme von Mitgliedern an Imageaktionen, Präsentationen oder Caterings. Aber auch das Herstellen von Kontakten zu anderen Spezialitätenanbieterinnen und -anbietern in Oberfranken, um das eigene Sortiment zu ergänzen oder regional einkaufen zu können. „Ich werde auch gefragt, ob ich nicht oberfränkische Betriebe kenne, die Bio-Produkten herstellen“, sagt er und beginnt dann sofort zu recherchieren, falls er nicht ohnehin schon jemanden im Netzwerk hat. Alle Mitglieder können sich kostenlos in die Anbieterdatenbank aufnehmen lassen, Workshops und Seminare zu allen möglichen Themen in Anspruch nehmen, das Netzwerk von Expertinnen und Experten nutzen. Und es steht ihnen das Logo für Marketingzwecke zur Verfügung.
Das Konzept des Vereins Genussregion Oberfranken e.V. geht auf. Aus 38 Gründungsmitgliedern sind mittlerweile rund 360 geworden. 2015 war die Genussregion Oberfranken e.V. die erste Regionalinitiative in Deutschland, die als gutes Praxisbeispiel für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes vom Bayerischen Ministerrat, der Deutschen UNESCO-Kommission und der Deutschen Kultusministerkonferenz ausgezeichnet wurde. 2020 überreichte ihr der baden-württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hau eine Auszeichnung für die Bemühungen um regionale Lebensmittel. Auch andere Regionalinitiativen lassen sich von Oberfrankens Beispiel beim Aufbau eigener Genussregionen inspirieren.
Genau das – die Verknüpfung von Regionalität, Kulinarik und Kultur – will Norbert Heimbeck in den nächsten drei Jahren zum Mittelpunkt seiner Arbeit machen – hin zum „Kulturerbe Genussregion“. Kooperationen mit oberfränkischen Museen sind schon auf den Weg gebracht, weitere Impulse erhofft er sich von Heimatpflegerinnen und Heimatpflegern, die er zur Stärkung der Genussregion Oberfranken ins Boot holen will.
KARRIEREZIEL MAGAZIN 2022