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Platz für Unternehmergeist

Platz für Unternehmergeist

Text und Fotografie: Christoph Beck

Sich selbst entfalten, eigene Ideen realisieren, Verantwortung übernehmen, Kreativität und Engagement ausleben: Hochfranken bietet Platz für Unternehmergeist. Dem mit Paletten handelnden Familienbetrieb ebenso wie dem Medikamente-Versender oder dem Künstler-Startup. Drei Beispiele.

Paletten für Hochfranken

Ein Handschlag gilt ihm noch etwas. Thomas Kramer ist Unternehmer von altem Schrot und Korn. Der 61-Jährige lebt die Tradition des ehrbaren Kaufmanns. Wohl auch deshalb ist er so erfolgreich mit seinem Paletten-Großhandel „Hochfranken Holz“.
Selbstständig war Thomas Kramer nicht immer. Fast drei Jahrzehnte lang arbeitet der gelernte Holzkaufmann in verschiedenen Unternehmen der Holzbranche. Im Hinterkopf regt sich jedoch stets der Wunsch nach unternehmerischer Eigenständigkeit. 2011 bietet sich dann die Chance. Für einen Paletten-Produzenten baut er damals den Vertrieb in Franken auf und erkennt ein riesiges Kundenpotenzial: Unternehmen, die für den Transport ihrer Waren Holzpaletten und Transportkisten benötigen. Sie zu beliefern, wäre eine lukrative Marktlücke.
Als im heimischen Köditz eine passende Immobilie frei wird – Lagerhalle, Freigelände, zwei Büros –, packt Thomas Kramer die Gelegenheit beim Schopf: Mit seinem Businessplan geht er voller Optimismus zur Bank. Die winkt ab. Die nächste auch. Es dauert, bis sich endlich ein Finanzierungspartner findet. „Allerdings musste ich den Kredit zu über 100 Prozent absichern. Ich habe mein ganzes Privatvermögen zusammengekratzt, und meine Frau hat ihr Erbgrundstück mit eingebracht.“
Im Februar 2012 wird die Geschäftsidee dann Realität: Als Zwei-Mann-Betrieb startet die „R&K Hochfranken Holz GmbH“. Schon drei Jahre später zahlt Thomas Kramer seinen Kredit zurück, ist seitdem schuldenfrei und unabhängig von Banken. Heute steht das Unternehmen bestens da: 16 Beschäftigte, einige Hundert Kunden; Kramer wird geschätzt für Liefertreue und Zuverlässigkeit.

Kundenorientierung ist für Thomas Kramer kein Lippenbekenntnis, sondern Alltag. Palette ist nicht gleich Palette. In der Standardgröße 80 x 120 Zentimeter kann der Kunde bei ihm zwischen zwölf Ausführungen wählen. Wenn die Richtige nicht darunter ist, gibt es eben eine individuell angefertigte Sonderlösung. So geht Kundennähe: „Einer von uns ist immer erreichbar. Ruft ein Textilproduzent mittags an ‚Ich brauche dringend 400 Paletten ́, kann er sicher sein, dass sie morgen früh auf seinem Hof stehen, spätestens!“
Aktiver Teil der positiven Unternehmensentwicklung sind Tina und Tobias Kramer, die Kinder des Gründers. Tina (29), gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin, arbeitet in Hof in einer Apotheke, als sie im Mai 2014 ein Hilferuf ihres Vaters erreicht: „Ich brauche dich hier!“ Ein wichtiger Mitarbeiter ist ausgefallen. Sie kommt, um auszuhelfen – und bleibt. Ähnlich geht es ihrem Bruder Tobias (26), der während seines Studiums (Bachelor in Wirtschaftsrecht und Master in Logistik) immer mal wieder im Betrieb mitarbeitet und erkennt, welche Chancen sich ihm hier bieten. Inzwischen sind beide mit je fünf Prozent am Unternehmen beteiligt und als Prokuristen mit in unternehmerischer Verantwortung.
Vom Standort Hochfranken ist das Kramer-Trio überzeugt: „Wir haben hier sehr viele leistungsfähige und innovative Betriebe, dazu super Verkehrsanbindungen, kurze Wege, keine Staus wie in den Großstädten und nicht zu vergessen zwei Hochschulen, ein prima Gründerklima und eine funktionierende Wirtschaftsförderung. Unsere Region ist auf jeden Fall wesentlich besser, als sie häufig dargestellt wird. Wir fühlen uns als Teil von ihr – und deshalb tragen wir ́Hochfranken ́ auch im Firmennamen.“

R&K Hochfranken Holz GmbH

  • Familienbetrieb mit 16 Beschäftigten in Köditz (bei Hof), gegründet 2012 von Thomas Kramer
  • Handel mit Standard- und Sonderpaletten, Aufsatzrahmen, Gitterboxen, Holzbriketts und Pellet – fast ausschließlich in Deutschland hergestellte Ware
  • Kunden aus allen Bereichen von Industrie, Handel und Logistik; Lieferung deutschlandweit, Schwerpunkt Nordbayern, Sachsen und Thüringen; weitester Kunde: Supermarkt in Süditalien, der Pellets aus Hochfranken verkauft
  • Auszeichnungen: 2017 von „Financial Times Deutschland“ als eines der wachstumsstärksten Unternehmen Europas geführt; 2015 von „FOCUS MONEY“ als „Wachstumschampion“ geehrt
  • www.hochfranken-holz.de

Medikamente per Klick

2004 erlaubt der Gesetzgeber Apotheken erstmals den Versand von Arzneimitteln. Karlheinz Ilius, seit 1980 Besitzer der Luitpold-Apotheke in Bad Steben, erkennt die Chancen dieser Gesetzesänderung und nutzt sie sofort: Im Mai 2004 eröffnet er seinen Webshop medikamente-per-klick.de.
Das Angebot kommt an: Stolz tragen Ilius und seine fünf Mitarbeiterinnen täglich 30 Pakete zur Post. Am Ende des Jahres sind es bereits 800. Die Nachfrage wächst und wächst. Heute gehen durchschnittlich 15.000 Pakete an den Kunden – pro Tag!


medikamente-per-klick hat sich zur größten inhabergeführten Versandapotheke Europas hochgearbeitet. 250.000 Produkte umfasst der Onlineshop. Etwa 16.000 „Schnelldreher“ hat man ständig am Lager, die anderen werden innerhalb weniger Stunden vom Großhandel zugeliefert.
Gebäude und Prozesse werden der rasanten Entwicklung mehrfach angepasst: Genügte anfangs der Keller der Luitpold-Apotheke, nutzt das erfolgreiche Unternehmen mit seinen etwa 200 Beschäftigten heute 4.700 Quadratmeter einer 2009 in Selbitz bezogenen, fünfgeschossigen Immobilie, und die ist so voll, dass erneut Expansion angesagt ist. Das Unternehmen setzt weiter auf den Standort Hochfranken: Am Ortsrand von Selbitz entsteht ein neues Logistikzentrum, in dem zusätzliche 20.000 Pakete am Tag zusammengestellt werden können.


„Ihre persönliche Versandapotheke“ nennt sich medikamente-per-klick. Trotz aller Digitalisierung stehe nämlich nicht die Technik im Mittelpunkt, sondern der Mensch, betont Marketingleiter Swen Prause: „Unser Anspruch ist es, jeden Kundenwunsch individuell zu behandeln.“ Deshalb bietet der Webshop nicht nur Produkte, sondern hilfreiches Wissen: einen Blog mit Informationen über Ernährung, Kosmetik, Krankheiten oder Medikamente, nützliche Tipps rund um die Hausapotheke, einen Newsletter, ein Glossar mit Stichwortsuche von A bis Z und viele weitere redaktionelle Angebote.
„Wir nehmen uns Zeit, unsere Kunden zu beraten – und das ohne Stoppuhr“, erläutert Swen Prause. Sieben Apotheker beantworten am Telefon Fragen der Kunden: „Gerade bei sensiblen Themen wird das gern in Anspruch genommen. Die Hemmschwelle am Telefon ist niedriger als in der Apotheke vor Ort, wenn fünf Menschen direkt hinter dir stehen.“ Zum persönlichen Service gehört auch ein Wechselwirkungs-Check: „Wir prüfen jede Bestellung und machen Kunden darauf aufmerksam, wenn bestimmte Wirkstoffe nicht zusammenpassen.“


Wer durch das Unternehmen geht, spürt: Die Menschen arbeiten gerne hier. Das spricht sich herum. Gute und zuverlässige Arbeitskräfte zu bekommen, sei noch nicht so schwierig wie in der Großstadt, sagt Swen Prause – „außer bei Apothekern und medizinischem Fachpersonal: Da spüren wir schon den Trend, dass die nach dem Studium in die Forschung oder Industrie wollen, und das vorwiegend in den Ballungszentren.“ Dabei könne das Unternehmen von Karlheinz Ilius jungen Akademikern aufgrund seiner Größe und Marktstellung durchaus interessante Perspektiven bieten: „Verantwortungsvolle Aufgaben, bei denen sie sich in vielfältiger Weise verwirklichen können, ob in Einkauf, Qualitätsmanagement oder Marketing.“ Mit dem neuen Logistikzentrum wird der Platz für Unternehmergeist in Selbitz noch weiter wachsen.

medikamente-per-klick

  • Versandapotheke in Selbitz, gegründet 2004 als Webshop der Luitpold-Apotheke in Bad Steben
  • zur Firmengruppe gehören die Klick-Apotheke in Selbitz, die Altstädter Apotheke in Hof sowie die Versandapotheken mediherz.de und preisapo.de
  • 200 Beschäftigte
  • etwa drei Millionen Kunde
  • Vielzahl von Auszeichnungen: u.a. vom Bayerischen Wirtschaftsminister um als Preisträger „Bayerns Best 50“ (2019); mehrfach zum „Top-Shop“ sowie zum „Spar Champion“ gekürt
  • www.medikamente-per-klick.d

Kunst aus dem Kuhstall

Für Leonhard Kunz ist Hochfranken ein idealer Platz für Unternehmergeist: „Als Künstler brauchst du einen freien Kopf. Das hast du in der Großstadt einfach nicht. Hier im Fichtelgebirge finde ich den kreativen Freiraum, um mit allen Sinnen meine Kunst machen zu können.“
„Hier im Fichtelgebirge“, das ist Schönlind bei Wunsiedel. Ein 40-Seelen-Dorf, umgeben von Feldern, Wäldern und Pferdekoppeln. Hier ist Leonhard Kunz aufgewachsen. Als er 13 war, kaufte die Familie den historischen „Preußhof“ und zog her.

Vor allem Urlaub auf dem Bauernhof gibt es in Schönlind. Und seit einigen Monaten auch KUNZTSTUECK, das gemeinsame Atelier von Claudia Grohmann (31) und Leonhard Kunz (34). Sie ist gelernte Goldschmiedin, er diplomierter Künstler und ausgebildeter Holzbildhauer. Eingebunden in eine Großfamilie mit vier Generationen – Oma, Vater, Mutter, Bruder mit Frau und Kind – leben und arbeiten die beiden auf dem Gutshof. Die Wohnung unterm Dach ist selbst ausgebaut, das Atelier selbst eingerichtet.
Viel Platz, viel Natur und ganz viel Ruhe – das ist es, was Leonhard Kunz hier schon immer schätzt. Und was ihm in der Stadt fehlt. Drei Jahre lebt er in München, fünf Jahre in Halle, später einige Monate in Berlin. „Ich hatte die Nase voll von Lärm, Trubel, Unruhe und dem Mangel an Rückzugsorten.“ Bei einem Besuch in der alten Heimat beschließt er spontan: „Ich bleibe hier!“
Arbeit findet er zunächst bei einem Garten- und Landschaftsbauer, dann kellnert er bei seinem Bruder Sebastian. Der gelernte Koch und Küchenmeister (ausgebildet von Alexander Herrmann) ist nach zehn Jahren in Metropolen wie Berlin und München ebenfalls nach Hochfranken zurückgekommen. Mit seiner Frau Romy eröffnet er im Sommer 2016 in Marktredwitz das Restaurant „Baros“, einen angesagten Burger-Laden.


Leonhards Drang, als Künstler auch unternehmerisch durchzustarten, wird immer stärker, erst recht, als er seine Jugendfreundin wieder trifft: Claudia Grohmann, die Schwester seines Banknachbarn im Gymnasium, aufgewachsen in Holenbrunn, nur einen Steinwurf entfernt von Schönlind. Sie ist inzwischen Kunsthandwerkerin, arbeitet seit zehn Jahren bei einem Marktredwitzer Goldschmied – und auch sie verspürt den Wunsch nach kreativer Selbstverwirklichung.
Die beiden werden ein Paar, privat wie im Geschäftsleben: Im Juli 2019 eröffnen sie auf 35 Quadratmetern Atelier und Werkstatt im ehemaligen Kuhstall des Bauernhofes. Als Sinnbild ihres Startup-Unternehmens wählen sie „Die Liebenden“, ein händchenhaltendes Paar, entworfen von Leonhard. Ihre Kunden sind Menschen aus der Region: Die Nachbarin, die eine Goldkette zum Richten bringt, der Unternehmer, der ein individuelles Geschenk für seine Frau sucht, Urlauber, die ein Souvenir oder ein Paar Ohrringe für die Kinder mitnehmen. Was fehlt, ist die Laufkundschaft.
Um diesen Standortnachteil aufzuwiegen, lassen sich die beiden einiges einfallen: Eine Ausstellungsvitrine im „Baros“, aktive Mitarbeit bei der KÜKO (Künstlerkolonie Fichtelgebirge e.V.) und dem „JuKu mobil“ (Juku Fichtelgebirge e.V.), Posts und Fotos auf Facebook und Instagram, und vor allem Workshops wie den Trauring-Kurs, in dem sich Paare unter fachlicher Anleitung „selbst ein gemeinsames Stück Ewigkeit schaffen“ – quasi Kunztstücke aus dem Kuhstall.

Kunztstueck

  • kleiner Atelierbetrieb in Schönlind bei Wunsiedel, der sein Augenmerk auf Schmuck (v.a. Armbänder, Ketten, Ringe, Ohrschmuck) und Kunst (Skulpturen und Objekte, Bilder und Grafiken, Emaille-Arbeiten) legt
  • gegründet im Sommer 2019 von Claudia Grohmann und Leonhard Kunz
  • Angebot: fertige Arbeiten, Auftragsanfertigungen, Reparaturen, Workshops
  • www.kunztstueck.de

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