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Aus Hochfranken: Produkte mit Seele

Aus Hochfranken: Produkte mit Seele

Text von Claudia Plaum

Diese hochfränkische Geschichte beginnt Mitte der 1980er Jahre in Italien: Der italienische Publizist Carlo Petrini organisierte als Protestaktion gegen den geplanten Bau einer Fast Food Filiale an der Spanischen Treppe ein öffentliches Protest-Spaghetti-Essen und begründete so die internationale Slow-Food-Bewegung. Essen sollte nicht einfach nur schnelle Nahrungsaufnahme sein. Petrini definierte drei wichtige Grundbegriffe: „Buono, pulito e giusto“ – gut, sauber und fair. Beste Zutaten, ihre optimale Verarbeitung, eine gesunde und unabhängige Landwirtschaft, die Aufrechterhaltung lokaler Traditionen und die Förderung biologischer Vielfältigkeit waren nur einige seiner Forderungen. Wir stellen Dir vier Betriebe aus Weißenstadt, Marktleuthen, Löhmar und Faßmannsreuth vor, die perfekt in die Slow-Food-Ideologie, aber auch in die Philosophie der „Genussregion Hochfranken“ passen.

PEMA in Weißenstadt – gebackene Natur

Das Schicksal habe bei PEMA schon immer eine Rolle gespielt, sagt Franz Leupoldt, Unternehmenslenker in der dritten Generation, und erinnert sich an zwei überlieferte Geschichten: 1905 entscheiden sich seine Großeltern mutig dazu, das erste Konditorei-Café in Weißenstadt zu eröffnen und legen so den PEMA-Grundstein. 45 Jahre später führte ein Missverständnis dazu, dass neben Leupoldt-Lebkuchen auch Vollkornbrot zum Erfolgsprodukt wurde. Ein Bekannter kam auf den in der Lebkuchenproduktion nach Expansion strebenden Heinrich Leupoldt zu: „Da verkauft einer den Maschinenpark einer Lebkuchenfabrik in Münchberg.“ Als Leupoldt dort eintraf, produzierte man aber keine Lebkuchen, sondern tiefschwarzes Brot – Pumpernickel. Des Rätsels Lösung: Im Sudetenland, aus dem der Bekannte stammte, hieß eine Lebkuchensorte „Pumpernickel“, genauso wie das westfälische Roggenbrot, das in Münchberg produziert wurde.
Alma und Heinrich Leupoldt transportieren die Pumpernickel-Maschinen nach Weißenstadt, beginnen mit der Vollkornbrot-Produktion und machen so aus dem Missverständnis eine Geschäftsidee. Die Entscheidung trägt bis heute zum PEMA- Unternehmenserfolg bei.

Seit 1960 ist Franz Leupoldt bei PEMA beschäftigt. Bei seinem Eintritt ins Unternehmen war die Produktion von Brot stark angewachsen, aber die Lebkuchenproduktion vernachlässigt. „Das war für mich nicht akzeptabel“, so Leupoldt und gesteht dabei, dass er seit seinem dritten Lebensjahr eine große Liebe für Lebkuchen hege. Um noch besser im Markt Fuß zu fassen, schlug der Vertrieb ihm vor, bei den Zutaten zu sparen. „Nein!“, konterte Leupoldt mit oberfränkischer Dickschädeligkeit, „Mein Name steht drauf und am Rezept wird nichts geändert!“ Und so ist das Rezept seit über 100 Jahren unangetastet geblieben. Franz Leupoldts Frau, Dr. Laura Krainz-Leupoldt, kam 1992 ins Unternehmen, etabliert PEMA im internationalen Markt und ist seit 2014 geschäftsführende Gesellschafterin. „Leupoldt-Lebkuchen sind nicht irgendein süßes Gebäck, Leupoldt-Lebkuchen haben mit Kreativität zu tun, mit der Art, wie wir leben, denken, fühlen, essen und genießen.“ So formuliert sie es im neuen Katalog, der die Lebkuchenspezialitäten unter dem Motto „Fashion“ ins rechte Licht rückt. Neben den beliebten Klassikern setzen die neuesten Kreationen und Ganzjahresprodukte auch auf internationalen Geschmack – mit oder ohne Alkohol, darunter Cookies mit klangvollen Namen wie „Cosmo Dubai“ oder „Cosmo London“.

Roggen, Wasser, Salz und Zeit, das sind die entscheidenden Zutaten der PEMA-Vollkornspezialitäten. Der Roggen stammt aus einer regionalen Erzeugergemeinschaft und von Bio-Landwirten. Das Wasser stammt aus den Quellen des Fichtelgebirges. PEMA nutzt es nicht nur zum Waschen – es löst den Schmutz, der den Roggenkörnern anhaftet – sondern es führt mithilfe des PEMA-Nassmahlverfahrens auch zur Qualitätssteigerung. Das eigens entwickelte Verfahren schont wertvolle Nährstoffe, und das schmeckt man. Eine wichtige Rolle spielt die Zeit: Gebacken wird bei PEMA ganz langsam bei deutlich niedrigeren Temperaturen als allgemein üblich. Die Brote dürfen nach dem Backen 48 Stunden ruhen und reifen, bevor sie geschnitten und verpackt werden. Die Ergebnisse heißen unter anderem Fränkisch Vollkorn, Chia- oder Hanfbrot und werden international auf den Markt gebracht. Soßenkuchen sind zudem die besondere Zutat für die klassische, aber auch für eine kreative, neue Küche. In den Concept-Stores „Laura“ und „Franz“ können die saisonal aktuellen Produkte in Ruhe bei einem Getränk probiert werden.

Pema

© PEMA

„Wir wollten nie die Größten, sondern immer nur die Besten sein!“

Laura und Franz Leupoldt

Bio Ritter in Marktleuthen – in der Landwirtschaft ist kein Tag wie der andere

Am Ortseingang von Marktleuthen bei Bio Ritter spazieren sie munter zwischen Streuobstbäumen umher: Hennen und Hähne. Entlang der Hof-Zufahrt verläuft ein grünes Banner, links wachsen während der Saison in schnurgeraden Reihen Kohl- und Eisbergsalatköpfe, Gemüse-Pflanzen und Kräuter. Als Familienbetrieb führen Andreas und Iris Ritter den seit Generationen bestehenden Ritter-Hof in Marktleuthen. Er ist der erste vom Verband „Biokreis“ zertifizierte Bio-Masthähnchenbetrieb der Region. Ursprünglich war der Ritter-Hof ein Milchbetrieb, den Andreas Ritter 2008von seinem Vater Helmut übernahm. Wirtschaftliche Faktoren und veränderte Märkte veranlassten die Familie, ganz neu zu überlegen und sich neu auszurichten: Das Hauptgeschäft sind heute Bio-Masthähnchen. „Unser Ziel ist es, marktbedarfsgerecht zu erzeugen, hohe Bio-Standards zu erfüllen und für unsere Kunden Premium-Qualität zu bieten“, so Andreas Ritter.
„Wenn die wenige Stunden alten Küken auf den Hof kommen, tun wir das Beste für sie, sie kommen quasi bei uns in die Kükenkrippe. Wasser und Futter stehen genauso wie Wärme, das richtige Licht und saubere Luft sofort zur Verfügung. Der Stall wird auf 32 °C aufgewärmt, komplett desinfiziert und mit weichem Stroh ausgelegt, teilweise mit einem speziellen Kükenpapier“,

sagt Iris Ritter. Durch den angrenzenden Wintergarten geht es auf die Streuobstwiese, dort hat jeder Schnabel zusätzlich vier Quadratmeter Auslauf im Freien – mehr als mancher Mensch in einem Großraumbüro zur Verfügung hat. Die Lebenszeit, in der die Hühner und Hähne ganz natürlich wachsen und an Gewicht zulegen, beträgt 70 Tage. In konventionellen Betrieben sind es meist nur 28 bis 30 Tage. Die Hühner bekommen verschiedene Futtermischungen mit hofeigenem Futter und ausschließlich pflanzlichen Eiweißen aus Bohnen, Erbsen und Lupinen. Männliche und weibliche Küken sind uneingeschränkt für die Mast geeignet. Es muss kein Tier als Küken getötet werden. Die Tiere verlassen nach 70 Tagen mit gut drei Kilogramm Gewicht den Hof und kommen in die Schlachterei. Familie Ritter vermarktet einen Teil des Geflügels frisch oder gefrostet, je nach Kundenwunsch, immer küchenfertig verpackt. Regionale Direktvermarkter, wie z.B. die Familie Kießling in Hallerstein oder der Dorfladen in Thierstein, verkaufen das Premiumfleisch aus Marktleuthen, auch in E-Centern der Region wird es angeboten. In der „Alten Wirtschaft an der Lamitz“ in Kirchenlamitz, oder bei „Baros“-Burger in Marktredwitz wird

mit den Ritter-Produkten gekocht. Der größte Teil geht jedoch an Großabnehmer und findet z.B. über dennree und HIPP den Weg zum Kunden.2019 gab es bei Bio Ritter erstmalig Fichtelgebirgs-Eisbergsalat. Der Anbau war zunächst ein Pilotprojekt mit dem benachbarten Edeka Egert. Keiner konnte sagen, ob diese für das Fichtelgebirge untypische Feldkultur auch gedeiht. Andreas Ritter: „Frost und Hitze, Wasserzufuhr und Insekten waren Unwägbarkeiten, mit denen wir umgehen lernen mussten. Das aber macht unseren Beruf so spannend – kein Tag ist wie der andere.“ Das Salat-Experiment hat funktioniert, sogar sehr gut − fabelhaft nussig schmeckt der Fichtelgebirgs-Salat. Die grünen Eisbergsalatköpfe werden nicht in Folie gepackt, wie im Supermarkt üblich, sondern nur mit einer Banderole aus Graspapier versehen. Auch so ist der Salat geschützt, seine stabilen Außenblätter verpacken ihn ganz von selbst. Familie Ritter baut seit 2019 auch Kräuter, Sellerie, Lauch, Rote Bete, Mangold, Weiß- und Rotkohl an – das Gemüse wird direkt ab Hof verkauft. Weitere Produkte sind Bio-Eier von Legehennen und Rindfleisch von der hofeigenen Angus-Mutterkuhherde.

© Claudia Plaum

„Die ganze Familie ist in den Ablauf und die Vermarktung unseres Fichtelgebirgs-Eisbergsalates eingebunden – sonst würde das niemals funktionieren!“

Iris Ritter

Frankenwälder Streuobsthof – Vielfalt des Frankenwaldes, eingefangen in Honig

Thorsten Franz überlegte mit seiner Frau Helene lange, womit er sein landwirtschaftliches Anwesen in Löhmar im Frankenwald wieder sinnvoll mit Leben füllen und dabei ein Auskommen für die fünfköpfige Familie erwirtschaften kann. Die Familie probierte manches aus und ließ sich nicht von: „An Obstbaam im Frankenwald? Des werd nex!“ abhalten, denn das Klima wird auch im Frankenwald milder. Also wurden vor 14 Jahren Apfelbäume − dar-unter viele alte Sorten − Birnen-, Zwetschgen-, Mirabellen-, Walnuss- und Kirschbäume gepflanzt, die heute dem Streuobsthof seinen Namen geben. Wenn sie zukünftig mehr tragen – im Moment reicht es für den Hausgebrauch – sollen aus ihnen Saft- und Schaumwein-Spezialitäten entstehen. Wer Obst will, braucht Bienen zur Bestäubung − wer Bienen hat, braucht besondere Eigenschaften. Geduld ist eine davon. Franz kann warten und schwärmt ebenso wie seine Bienen für Honig. Er bildet sich weiter, schaut viele Imkerbetriebe an, auch im Ausland. Über die demokratisch organisierten Bienenvölker kann er spannende Geschichten erzählen. Ein Bienen-Volk verbreitet Neuigkeiten über interne Kommunikation innerhalb von ein paar Sekunden. Dabei spielen Töne, Duft, Tänze, Trommeln oder die Weitergabe von elektrischen Impulsen über die Fühler eine wichtige Rolle.

Diese Geschichten lassen die Bienen in einem ganz anderen Licht erscheinen. Wer weiß, wie komplex die Entstehung von Honig ist, schätzt ihn noch mehr.
Man irrt in der Annahme, Buchweizenhonig entstehe, wenn Franz seine Völker einfach vor ein üppig blühendes Buchweizenfeld platziert. Bienen achten sehr auf Effizienz und nicht nur aufs Erscheinungsbild einer Pflanze. Was genau sie gesammelt haben, kann erst das Labor ermitteln. Mitunter erscheint den Bienen eine weiter entfernte Pflanze attraktiver als die nächstgelegene. Wenn z.B. der Wald „honigt“, wie das in trockenen Jahren passiert, können Bienen sehr effizient im Wald den Honigtau ernten, ein zuckerhaltiges Ausscheidungsprodukt von verschiedenen Läusen, die auf Bäumen leben. Bei Trockenheit fehlt vielen Blühpflanzen das Wasser für die Nektarproduktion. So entsteht auch der seltene Tannenhonig, das Premiumprodukt des Streuobsthofes. Reine Blütenhonige sind z.B. Frühlings-, Sommer- oder Buchweizenhonig. An seinem speziellen Aroma scheiden sich die Geister. Alle Produkte des Frankenwälder Streuobsthofes werden nach den strengen Bioland-Richtlinien erzeugt. Auch bei der Verpackung wird auf Gesundheit und Umwelt geachtet. Die Honige und Honigweine gibt es in Bio-Märkten, in vielen regionalen Hofläden, und in Reformhäusern bis Nürnberg, Regensburg und Bamberg.

© Frankenwälder Streuobsthof 

© Claudia Plaum

„In Deutschland ist die Imkerei eher ein Hobby, im Ausland meist ein Beruf.“

Thorsten Franz

Naturhof Faßmannsreuther Erde – Kräuter, Düfte, Farben, Stille, Natur

Hinter dem Eingangs-Rosenbogen des Naturhofs Faßmannsreuther Erde gehen die Uhren langsamer und die Sinne übernehmen die Regie. Das 20.000 Quadratmeter große Areal des Naturhofs ist im Sommer mit seinem großen, zwischen Blumenwiesen und Bäumen angelegten Schaugarten ein buntes, blühendes und duftendes Paradies. In seinem Zentrum: Der Kräuterkreis mit mehr als 200 Kräutern. Auf einem Barfuß-Pfad lässt sich die Natur mit nackten Füßen wahrnehmen, begleitet vom Duft der Kräuter. Der Weg durch das Wiesen-Labyrinth lädt zur Einkehr ein. Besucher des Naturhofs werden zu einem bewussten Umgang mit der Umwelt, der Natur und den Mitmenschen angeregt, aber auch zur Entschleunigung des eigenen Lebens − gemeinsame Meditationen, Spaziergänge und die Kräuterwerkstatt laden dazu ein. Im Mai feiert der Hof das Kräutererwachen, am dritten Samstag im September gibt es in jedem Jahr den Kräutermarkt. Produkte aus den biologisch angebauten Kräutern dienen Leib und Seele,


sie werden im Laden des Naturhofs zum Kauf angeboten. Dort duftet es nach Thymian, Minze und Lavendel, unterm Dach trocknen Kräuterbüschel und in der Küche warten Gläser, Tüten und Flaschen auf Befüllung. In den Regalen liegen Duftsäckchen und Servietten, die mit Pflanzen im Direktdruck gestaltet wurden. So weit wie möglich finden Aussaat, Pflanzung und Ernte der Kräuter in den geeigneten Mondphasen statt, beim Anbau werden nur biologische Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet, zugekaufte Inhaltsstoffe stammen aus biologischem Anbau. Alle Produkte werden in sorgfältiger Handarbeit hergestellt. Sehr beliebt sind die in Anlehnung an ein Originalrezept von Hildegard von Bingen zubereiteten Seelen-Kekse, auch Nervenkekse genannt. „Iss diese oft und es dämpft die Bitterkeit des Herzens und des Sinnes“, schreibt Hildegard von Bingen. „Es öffnet dein Herz, macht deinen Geist fröhlich und mindert alle schädlichen Stoffe in dir. Es verleiht deinem Blut einen guten Saft und es macht dich stark.“

© Claudia Plaum

© Faßmannsreuther Erde

„Ich wünsche mir, dass unsere Besucher im Natur-hof in Beziehung zur Natur kommen und die große Schöpfung wieder schätzen und sie bewahren wollen.“

Sabine Böhm, Mitbegründerin und Vorsitzende des Fördervereins „Faßmannsreuther Erde“
Aufgewachsen in Hochfranken – gut, sauber und fair

Ist es nicht ein Wunder, wie sich die jeweilige Saison, unmittelbar in unseren regionalen Erzeugnissen widerspiegelt, wie die Natur über das Jahr ihren individuellen Fingerabdruck hinterlässt? Ob Geflügel, Gemüse, Brot, Lebkuchen, Honig oder Kräuter – unsere hochfränkischen Produkte sind genauso unverwechselbar wie ein Baumring, sind Abbild eines Jahres mit seiner Witterung. Sie sind Spiegel unserer Landschaft mit ihrem ganz eigenen Boden, ihren Pflanzen, ihrer Luft. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Erzeugnisse mit hoch-fränkischer Seele.

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Norbert Heimbeck

Der Herzschlag der Genussregion Oberfranken

Der 24. Oktober 2007 markiert den Beginn des Vereins Genussregion Oberfranken e.V. Die Idee, Oberfranken als Genussregion zu etablieren, existierte da schon einige Jahre – ins Spiel gebracht von der Handwerkskammer für Oberfranken, die damit auch der Erosion der Betriebe im Lebensmittelhandwerk entgegenwirken wollte. Viel zentraler aber war die Motivation, ein Netzwerk zu schaffen, das Oberfrankens Schätze und „Welt- und Europameister“ viel stärker in die Öffentlichkeit rückt.

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